Fraunhofer IEE

GLDPM: White Paper und Workshop über Netzmodellierung auf Hochspannungsebene und Chancen für den Netzbetrieb

Um einen grenzübergreifend sicheren Netzbetrieb zu gewährleisten, müssen die europäischen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) Modelle ihrer Netze erstellen und austauschen. Die „Generation and Load Data Provision Methodology“ (GLDPM) beschreibt, wie die dafür nötigen Netzdaten erhoben und übergeben werden. Die ÜNB benötigen hierfür zusätzliche Daten aus den Verteilnetzen, um eine realitätsgetreuere Modellierung ihrer eigenen Netze vornehmen zu können. Das Fraunhofer IEE in Kassel hat jetzt ein White Paper veröffentlicht, das verschiedene Varianten der Modellierung von Netzen der 110-kV-Ebene erläutert und zudem beschreibt, wie Erzeugungs- und Lastprognosen verlässliche Daten über die Einspeisung aus erneuerbaren Energieträgern sowie die Lastsituation an den Verknüpfungspunkten der Netzebenen liefern.

Beispieldarstellung für ein vollständig reduziertes Netz. Das Verteilnetz wurde durch eine Ersatzimpedanz zwischen den Verknüpfungspunkten modelliert. An jedem Verknüpfungspunkt ist eine Ersatzeinspeisung für Wirk- und Blindleistung installiert.
© Fraunhofer IEE
Beispieldarstellung für ein vollständig reduziertes Netz. Das Verteilnetz wurde durch eine Ersatzimpedanz zwischen den Verknüpfungspunkten modelliert. An jedem Verknüpfungspunkt ist eine Ersatzeinspeisung für Wirk- und Blindleistung installiert.
Beispielhafte Darstellung zur Reduzierung eines Netzes mithilfe von Ersatzimpedanzen ([2] entnommen). Links oben ist das Ausgangsnetz dargestellt. Im Netz oben rechts sind die nicht relevanten Knoten reduziert worden. Links unten ist die originale Netzstruktur reduziert, und von jedem relevanten Knoten eine Erszatzverbindung zum Umspannwerk gezogen. Unten rechts sind die relevanten Generatoren über Einflussfaktoren auf die Umspannwerke aufgeteilt. Die relevanten Erzeugungsanlagen sind hier mit G gekennzeichnet und die beiden Netzverknüpfungspunkte (HS/HöS) mit A und B.
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Beispielhafte Darstellung zur Reduzierung eines Netzes mithilfe von Ersatzimpedanzen ([2] entnommen). Links oben ist das Ausgangsnetz dargestellt. Im Netz oben rechts sind die nicht relevanten Knoten reduziert worden. Links unten ist die originale Netzstruktur reduziert, und von jedem relevanten Knoten eine Erszatzverbindung zum Umspannwerk gezogen. Unten rechts sind die relevanten Generatoren über Einflussfaktoren auf die Umspannwerke aufgeteilt. Die relevanten Erzeugungsanlagen sind hier mit G gekennzeichnet und die beiden Netzverknüpfungspunkte (HS/HöS) mit A und B.
Darstellung der Prognoseabweichung (hier RMSE) unterschiedlich großer Aggregationslevel über dem Vorhersagehorizont.
© Fraunhofer IEE
Darstellung der Prognoseabweichung (hier RMSE) unterschiedlich großer Aggregationslevel über dem Vorhersagehorizont.

„Die GLDPM macht die Stromflüsse zwischen Übertragungsnetz und den Verteilnetzen transparent“, erklärt Dr. Sebastian Wende - von Berg, Experte für Netzplanung und -betrieb am Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE in Kassel. „Allerdings bedeutet das Verfahren gerade für viele Netzbetreiber eine echte Herausforderung: Sie müssen mehr Daten erheben, ihre Prognosen verbessern bzw. erstmalig Prognosen in ihre Prozesse einbinden und neue Möglichkeiten für den Export der Informationen schaffen. Dabei wollen wir sie mit unserem White Paper und dem Workshop besonders der weiterführenden Nutzung unterstützen.“ Netzbetreiber können so vom Know-how und der Erfahrung des Fraunhofer IEE profitieren: „Bei der GLDPM geht es gleichermaßen um Netzberechnung, -reduktion und Prognosen. Das sind Themenfelder, auf denen sich das Fraunhofer IEE schon seit vielen Jahren bewegt“, sagt Wende - von Berg.

Der in Kassel am 5.-6. September 2018 stattfindende Workshop richtet sich gezielt an Verteilnetzbetreiber. Ein Schwerpunkt der Veranstaltung wird sein, welchen zusätzlichen Nutzen die Netzbetreiber aus den Daten ziehen können, die sie mit der GLDPM erhoben haben.

Autoren diskutieren Netzmodelläquivalente für Hochspannungsebene

Die Berechnung der grenzüberschreitenden Übertragungskapazitäten erfolgt anhand einer Lastflussberechnung, der ein europäisches Gesamtnetzmodell zugrunde liegt. Dieses Modell setzt sich aus Einzelnetzmodellen zusammen, welche die ÜNB für ihre Netze erstellen müssen. Die Qualität dieser Einzelnetzmodelle hängt aufgrund der starken Erzeugung von Erneuerbaren Energieanlagen in Mittel- und Hochspannung in hohem Maße davon ab, ob es gelingt, Informationen zu Erzeugung und Last in der Verteilnetzebene mit möglichst großer Genauigkeit zu berücksichtigen. Das ist eine zentrale Voraussetzung dafür, die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Netzebenen transparent zu machen.

Das White Paper des IEE beschreibt, auf welche Weise die Verteilnetzbetreiber den Übertragungsnetzbetreibern die benötigten Daten aus der Hochspannungsebene zur Verfügung stellen können. Die Unternehmen können hier zwischen mehreren Varianten wählen. Die Fraunhofer-Forscher beschreiben im White Paper deren verschiedene Eigenschaften. Im Mittelpunkt stehen dabei die Netzmodelläquivalente, bei denen die Modelle der vollständigen Hochspannungsnetze an den Verknüpfungsknoten zum Übertragungsnetz reduziert werden. Das mindert den Rechenaufwand bei der Netzanalyse. Dafür müssen die Netzbetreiber jedoch das Risiko einer Unschärfe der Ergebnisse in Kauf nehmen.

„Letztlich bedeutet eine Modellvereinfachung immer ein Kompromiss aus Rechenaufwand und Ergebnistreue“, sagt Wende - von Berg. Die Autoren des White Paper zeigen aber anhand von Beispielrechnungen, dass es auch mit reduzierten Netzmodellen grundsätzlich möglich ist, Veränderungen bei Einspeisung und Last im unterlagerten Netz realitätsgetreu abzubilden.

White Paper präsentiert Prognoseverfahren – auch für Lastflüsse an Netzverknüpfungspunkten

Zuverlässige Prognosen der Einspeisung von Erneuerbare-Energien-Anlagen sowie der Last in geeigneter regionaler Auflösung sind Voraussetzung, um Lastflüsse im Übertragungs- und Verteilnetz exakt darstellen zu können. Das White Paper des Fraunhofer IEE stellt Prognoseverfahren für Windenergie-, Photovoltaik-, Biomasse- und Wasserkraftanlagen vor. Dabei befassen sich die Autoren nicht nur mit der Vorhersage der Einspeiseleistungen, sondern auch der Stromnachfrage sowie den der resultierenden Lastflüssen an den Netzverknüpfungspunkten. „Mit dem Zubau dezentraler Erzeugungsanlagen in den Verteilnetzen kommt es immer häufiger vor, dass sich die Energieflüsse von übergeordneten Netzebenen in jene darunter umkehren. So passiert es zunehmend, dass Strom vom Hoch- ins Höchstspannungsnetz fließt. Das macht die Prognose an den Verknüpfungspunkten zu einer anspruchsvollen Aufgabe“, sagt Dr. Jan Dobschinski, Leiter Prognosen für Energiesysteme.

Darüber hinaus informiert das White Paper über das von der ENTSO-E definierte Format für den Austausch von Netzmodellen CGMES, das auf dem Common Information Model (CIM) basiert. Zudem befassen sich die Autoren mit der Übertragung der Betriebsplanungsdaten sowie der Implementierung von Prognosemodulen.

Abschließend skizzieren die Fraunhofer-Forscher einige weitere Anwendungsgebiete, in denen die Netzbetreiber von den für die Netzmodellierung erhobenen Daten zusätzlich profitieren können. So könnte etwa die Zusammenarbeit zwischen Verteilnetzbetreibern und Dritten vereinfacht werden, wenn sich das CGMES als einheitliche Schnittstelle etablieren würde. Ebenso wäre es möglich, die mit der GLDPM gewonnenen Daten für die Betriebsplanung, etwa von Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten, zu verwenden.